Oberschwingungsemissionen von großen Photovoltaik-Kraftwerken: Eine Analyse basierend auf Messergebnissen aus den USA, China, Australien und Spanien
- Holger Roswandowicz
- 30. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
Große Solarparks sind entscheidend für die Energiewende, aber ihre Anbindung an das Stromnetz bringt technis
che Herausforderungen mit sich. Eine der wichtigsten ist die Entstehung von Oberschwingungen – unerwünschten elektrischen Frequenzen, die die Netzqualität beeinträchtigen und Probleme verursachen können. Dieser Beitrag fasst zusammen, was Park- und Netzbetreiber über Oberschwingungen aus Solaranlagen wissen müssen, basierend auf globalen Forschungsergebnissen und Messungen.
Warum erzeugen Solarparks Oberschwingungen?
Die Hauptursache liegt in den Wechselrichtern, die den Gleichstrom der Solarmodule in Wechselstrom für das Netz umwandeln.
Schnelles Schalten: Wechselrichter verwenden Leistungselektronik (wie IGBTs) und Techniken wie die Pulsweitenmodulation (PWM), um die AC-Wellenform zu erzeugen. Dieses sehr schnelle Ein- und Ausschalten erzeugt naturgemäß neben der gewünschten Grundfrequenz (50/60 Hz) auch Oberschwingungen, oft bei Vielfachen der Schaltfrequenz.
Netzinteraktion & Resonanz: Wenn diese Oberschwingungsströme ins Netz fließen, interagieren sie mit der Netzimpedanz (dem elektrischen Widerstand des Netzes bei verschiedenen Frequenzen). Besonders problematisch wird es, wenn die Eigenschaften des Parks (Filter, Kabel, Trafos) und des Netzes bei bestimmten Frequenzen Resonanzen bilden. Diese Resonanzen können Oberschwingungen stark verstärken und zu unerwartet hohen Spannungsverzerrungen führen.
Was beeinflusst die Oberschwingungspegel?
Mehrere Faktoren bestimmen, wie stark die Oberschwingungsemissionen eines Solarparks sind:
Sonneneinstrahlung (Irradiance): Ein sehr wichtiger Faktor! Viele Studien zeigen, dass die relative Stromverzerrung (THD-I) tendenziell höher ist, wenn die Sonneneinstrahlung gering ist (z. B. morgens, abends, bei Bewölkung). Das liegt daran, dass der Grundstrom bei wenig Licht stark sinkt, die Oberschwingungsströme aber weniger stark abfallen. Wichtig für Betreiber: Konformitätstests nur bei Volllast könnten die ungünstigsten Bedingungen übersehen.
Netzstärke (Netzimpedanz): Der Anschluss an einen "schwachen" Netzpunkt (hohe Impedanz) führt zu höheren Spannungsverzerrungen durch die eingespeisten Oberschwingungsströme und erhöht das Resonanzrisiko.
Filterdesign und -zustand: Die internen Filter der Wechselrichter (oft LCL-Filter) sind entscheidend, um Oberschwingungen zu dämpfen. Ihr Zustand und ihre Auslegung haben großen Einfluss.
Wechselrichter-Schaltfrequenz: Diese bestimmt, in welchen Frequenzbereichen die stärksten Oberschwingungen auftreten.
Welche Oberschwingungen sind typisch?
Messungen weltweit (USA, China, Australien, Spanien) zeigen ähnliche Muster:
Niedrige Ordnungen: Die 5. und 7. Harmonische sind oft am stärksten ausgeprägt, gefolgt von der 3., 11. und 13..
Höhere Frequenzen (Supraharmonische): Emissionen im Bereich von 2 kHz bis 150 kHz, oft nahe der Schaltfrequenz der Wechselrichter, werden zunehmend beobachtet und untersucht. Diese sind schwieriger zu modellieren und können ebenfalls Probleme verursachen.
Interaktion: Wichtig ist, dass Wechselrichter nicht nur konstante Oberschwingungen einspeisen. Ihre Emissionen können auch von der vorhandenen Spannungsverzerrung im Netz beeinflusst werden.
Realweltliche Auswirkungen: Warum sind Oberschwingungen ein Problem?
Für Park- und Netzbetreiber können Oberschwingungen konkrete negative Folgen haben:
Überhitzung von Betriebsmitteln:
Transformatoren: Dies ist ein Hauptanliegen. Oberschwingungen verursachen zusätzliche Verluste (Kupfer- und Eisenverluste), die zu Überhitzung führen. Dies verkürzt die Lebensdauer der Isolation und kann zu Transformatorausfällen führen. Besonders hochfrequente Oberschwingungen (z.B. 3-4 kHz) wurden bereits mit Ausfällen in Verbindung gebracht. Standard-Derating (K-Faktor) ist möglicherweise nicht ausreichend für diese hohen Frequenzen.
Kabel & Co.: Auch Kabel, Schaltanlagen und Motoren können durch Oberschwingungen zusätzlich erwärmt werden. In Drehstromsystemen kann der Neutralleiter überlastet werden.
Fehlfunktion von Schutzsystemen: Oberschwingungen können Schutzrelais stören. Sie können fälschlicherweise auslösen (Fehlauslösung) oder im Fehlerfall nicht auslösen (Versagen). Dies gefährdet die Anlagensicherheit und Netzstabilität.
Schlechte Spannungsqualität (THD): Erhöhte Oberschwingungen verschlechtern die Spannungsqualität am Netzanschlusspunkt (PCC) und können sich im Netz ausbreiten, was andere Kunden beeinträchtigt und zu Verstößen gegen Netzanschlussregeln führen kann.
Messung und Vorhersage von Oberschwingungen
Messung: Erfordert spezielle Netzqualitätsanalysatoren (PQAs nach IEC 61000-4-30). Für höhere Frequenzen sind Geräte mit hoher Abtastrate nötig. Eine Herausforderung ist, den Beitrag des Parks von der vorhandenen Netzverzerrung zu trennen. Langzeitmessungen sind oft nötig, aber aufwändig.
Simulation: Wird für die Planung eingesetzt (EMT-Simulationen, Oberschwingungslastfluss). Die Genauigkeit der Wechselrichtermodelle (oft Norton-/Thevenin-Äquivalente) ist entscheidend, aber oft schwer zu validieren für das Verhalten im realen Netz. Impedanzanalysen helfen, Resonanzrisiken abzuschätzen.
Was kann man gegen Oberschwingungen tun? (Minderungsstrategien)
Oberschwingungsfilter:
Passive Filter: Bestehen aus Spulen (L), Kondensatoren (C) und ggf. Widerständen (R). Sie saugen gezielt bestimmte Oberschwingungen ab. Sie sind kostengünstiger, aber weniger flexibel und müssen sorgfältig auf das Netz abgestimmt werden, um keine neuen Resonanzen zu erzeugen. Die Fallstudie Coleambally (150 MW, Australien) zeigte ihre Wirksamkeit.
Aktive Filter (AHF): Leistungselektronische Geräte, die Oberschwingungen messen und aktiv Gegenströme einspeisen, um sie auszulöschen. Sie sind flexibler und anpassungsfähiger, aber teurer.
Systemplanung und Steuerung:
Netzanschlussstudien: Detaillierte Oberschwingungsanalysen vor dem Anschluss sind unerlässlich, wie sie z.B. in Australien (AEMO) gefordert werden.
Wechselrichtersteuerung: Moderne Wechselrichter können teilweise Oberschwingungen durch intelligente Regelung reduzieren oder sogar als aktive Filter fungieren (nach Absprache).
Überwachung: Kontinuierliche Messung der Netzqualität hilft, Probleme frühzeitig zu erkennen.
Optimierung: Manchmal kann durch sorgfältige Analyse und Kooperation mit dem Netzbetreiber die Notwendigkeit oder Größe teurer Filter reduziert werden.
Regeln und Standards: Ein globaler Überblick
Die Anforderungen an Oberschwingungen variieren:
USA: IEEE 1547 begrenzt die Stromemission des Parks , IEEE 519 gibt Empfehlungen für Strom (TDD) und Spannung (THDU) am PCC.
Europa/IEC: IEC 61000-3-6 definiert Planungspegel für Spannungsverzerrung. Nationale Codes (z.B. Spanien , Deutschland) setzen spezifische Grenzen.
Australien: Netzbetreiber (NSPs) weisen Emissionsgrenzwerte (oft spannungsbasiert) zu, basierend auf detaillierten Studien nach AEMO-Richtlinien.
China: GB/T 14549 ist grundlegend, aber veraltet (fokussiert auf Spannung, begrenzt auf niedrige Ordnungen/Spannungen). Neuere Normen orientieren sich an IEC.
Wichtiger Unterschied: Begrenzung der Stromemission (Verantwortung beim Erzeuger) vs. Begrenzung der Spannungsverzerrung (berücksichtigt auch die Netzimpedanz). Dies beeinflusst, wer bei Grenzwertüberschreitungen verantwortlich ist.
Die Konformitätsbewertung erfolgt durch Simulationen, Feldmessungen und Zertifizierungen.
Fazit & Empfehlungen für Betreiber
Oberschwingungen sind eine ernste technische Herausforderung für große Solarparks. Sie können die Lebensdauer von Anlagenkomponenten (insbesondere Trafos) verkürzen, Schutzsysteme stören und die Netzqualität beeinträchtigen.
Für Parkbetreiber:
Planung: Bestehen Sie auf gründlichen Oberschwingungsstudien in der Planungsphase, die reale Netzimpedanzen und verschiedene Betriebszustände (auch Schwachlast) berücksichtigen.
Technik: Verstehen Sie die Oberschwingungseigenschaften Ihrer Wechselrichter und die Funktion eventueller Filter.
Budget: Kalkulieren Sie potenzielle Kosten für Filter (Anschaffung & Wartung) ein.
Betrieb: Überwachen Sie die Oberschwingungspegel, besonders bei niedriger Einstrahlung.
Kooperation: Arbeiten Sie eng mit dem Netzbetreiber zusammen, um Konformität sicherzustellen.
Für Netzbetreiber:
Standards: Entwickeln Sie klare, konsistente und technisch fundierte Richtlinien für Oberschwingungsbewertungen (Beispiel: AEMO ).
Daten: Investieren Sie in genaue Messung und Modellierung der Netzimpedanz über einen breiten Frequenzbereich.
Koordination: Arbeiten Sie proaktiv mit Parkentwicklern an Minderungsstrategien.
Überwachung: Überwachen Sie die Netzqualität kontinuierlich, um kumulative Effekte und Resonanzen frühzeitig zu erkennen.
Zukunft: Berücksichtigen Sie das Potenzial moderner Wechselrichter für Netzdienstleistungen (z.B. aktive Filterung ).
Durch sorgfältige Planung, moderne Technik und gute Zusammenarbeit zwischen Park- und Netzbetreibern können die Herausforderungen durch Oberschwingungen gemeistert und eine zuverlässige Integration großer Solarparks gewährleistet werden.
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